Befangenheit im Pferdesport: Auch Reiter sind verantwortlich
Befangenheit ist (nicht nur) im Pferdesport ein brisantes, weil hochemotionales Thema. Immer wieder treten Fälle von Befangenheit auf, die zeigen, dass hier dringend Gesprächsbedarf besteht – geht es doch nicht zuletzt um den Ruf und das gesellschaftliche Ansehen des gesamten Pferdesports. Entscheidend ist jedoch nicht nur der Punkt der Befangenheit an sich, sondern sogar schon die „Besorgnis der Befangenheit“, wie es in der LPO § 56 in Ziffer 7 festgehalten ist.
In Leistungsprüfungen mit beurteilendem und beobachtendem Richtverfahren haben Richter, Reiter und Veranstalter – auch wenn letzterer von der „Öffentlichkeit“ oftmals nicht als verantwortlich gesehen wird – gemeinsam Sorge zu tragen, dass keine Besorgnis der Befangenheit geltend gemacht werden kann.
Teilnehmer mit verantwortlich
Was viele Reiter nicht wissen: Auch der Teilnehmer trägt diesbezüglich eine Verantwortung. Denn laut LPO muss der betroffene Teilnehmer vor Beginn der Pferdeleistungsschau den Veranstalter informieren, sobald er zum Beispiel durch die Zeiteinteilung Kenntnis davon erlangt, dass es eine begründete Besorgnis der Befangenheit gibt oder geben könnte. Konkret heißt das: Entnimmt der Reiter der Zeiteinteilung, dass er zum Beispiel in einer Prüfung von seinem ehemaligen oder gar aktuellen Ausbilder gerichtet wird, hat er dies dem Veranstalter mitzuteilen.
Es gibt auch Reiter, die der Annahme sind, dass immer zwei Richter in einer Richterhütte sitzen und daher „der zweite Richter“ den Reiter richten kann, wenn der „erste Richter“ bezüglich dieses Reiters befangen ist. Das ist nicht der Fall, da beide Richter gemeinsam eine Prüfung richten und sich daher gemeinsam auch bei jedem Starter auf eine Note festlegen müssen.
Weiterhin gibt es Reiter, die der Annahme sind, dass es Befangenheit in Springen, die nach Fehlerpunkten und Zeit gerichtet werden, nicht gibt. Auch hier muss energisch widersprochen werden: Es kommt immer wieder vor und ist lt. LPO auch so vorgesehen, dass bei Ausfall der elektronischen Zeitnahme per Hand gestoppt werden muss. In solchen Fällen könnte man einem Richter sofort vorwerfen, vermeintlich „seinem“ Reiter einen Vorteil verschafft zu haben.
Richter-Pflichten
Andersherum ist es Pflicht des Richters, rechtzeitig vor Beginn einer Prüfung die Starterliste in Hinblick auf mögliche Befangenheits-Besorgnis seinerseits durchzugehen. Der Richter trägt letztlich die Hauptverantwortung für die Prüfungsabläufe – und genau deshalb muss er in diesem Punkt äußerst sensibel vorgehen und gegebenenfalls schon im Falle einer scheinbar möglichen Befangenheit handeln. Das heißt unter Umständen auch, gegen den Willen des Veranstalters zu handeln, dessen erstes Interesse es stets ist, die Veranstaltung reibungslos durchzuführen. Doch auch für den Veranstalter sollte letztlich das Ansehen des Pferdesports oberste Priorität haben.
Da es in der Vergangenheit immer wieder zu Unsicherheiten gekommen ist, hat die Richterkommission des PSV Hannover, angelehnt an die internationalen Regeln, einen Vorschlag zur Ergänzung der Definition der Besorgnis der Befangenheit in der LPO ausgearbeitet. Dieser wurde von der Landeskommission beschlossen und in die Besonderen Bestimmungen s. §7.7 aufgenommen.
Hier wird den Richtern z.B. durch die Angabe fester Zeiträume Sicherheit gegeben und für alle Seiten Klarheit geschaffen.
Auszug aus den Besonderen Bestimmungen der LK Hannover:
7.7 Befangenheit beim beurteilendem und beobachtendem Richtverfahren
1. Der in der LPO § 56 Ziffer 7 festgeschriebene Begriff der Befangenheit wird in Ergänzung dieser Ziffer wie folgt definiert:
a) Aus persönlichen Gründen befangen ist der Ehegatte, Verlobte, Lebenspartner eines zu bewertenden Reiters auch dann, wenn die Ehe/Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht bis zu einem Jahr nach Beendigung der Ehe/Lebenspartnerschaft. Außerdem sind Richter befangen, die mit dem Reiter in gerader Linie und in der Seitenlinie verwandt oder verschwägert sind.
b) Befangen ist der Richter, wenn der zu bewertende Reiter sein Schüler ist. Als Schüler gilt, wer regelmäßig d.h. über einen längeren Zeitraum, mindestens einmal pro Monat vom Richter unterrichtet wird. Nach Beendigung der Unterrichtstätigkeit besteht die Befangenheit noch für ein Jahr. Die Befangenheit gilt auch gegenüber Teilnehmern eines Lehrganges durch einen Richter, soweit die PLS innerhalb von drei Monaten nach dem Lehrgang stattgefunden hat.
c) Befangen ist der Richter auch, wenn er ein zu bewertendes Pferd gezüchtet, ausgebildet, verkauft oder vermittelt hat. Die Besorgnis der Befangenheit endet ein Jahr nach Ausbildung, Verkauf oder Vermittlung.
d) Bei der Ausübung von Aufsichten darf der Richter/ die Richterin in keiner Hinsicht ausbilderisch den Reitern gegenübertreten. Hierzu zählt auch das Aufbauen von Sprüngen.
2. Beim Richten eines Teilnehmers in einer Prüfung, bei der die Befangenheit, wie oben definiert, zweifelsfrei nachgewiesen wird, erfolgt eine Sperre als Richter für mindestens drei Monate.
3. Im Wiederholungsfall wird der Richter für mindestens ein Jahr von der Richterliste gestrichen, wobei nach dem Ablauf dieser Frist automatisch eine Wiederaufnahme in die Liste erfolgt.
Richterkommission PSV Hannover
Foto: Pantel